Objekt des Monats 05/2020
Beim Objekt des Monats erzählen wir die (Kurz-) Geschichte eines besonderen Objekts aus dem Panzermuseum.
Da wir uns bemühen auch besonders Stücke aus dem Depot vorzustellen, finden sich hier auch ungewöhnliche Objekte und spannende Geschichten
Französische Schrapnellgranate 7,5cm
Inv. Nr.: DPM 4.32.5
Ein Schrapnell ist ein Geschoss, welches für den Einsatz gegen Menschen, Pferde und ungepanzerte Fahrzeuge entwickelt wurde – so genannte Weichziele. Das ähnliche Prinzip eines mit Kleinteilen gefüllten Geschosses, der Kartätsche, gibt es zwar bereits seit dem Mittelalter. Diese wurde jedoch gerade nach vorne aus dem Rohr einer Kanone verschossen. Der heute gebräuchliche Name leitet sich vom britischen Offizier Henry Shrapnel ab, welcher Ende des 18. Jahrhunderts die moderne Schrapnelltechnik begründete.
Als im Ersten Weltkrieg die Soldaten beider Seiten mit Beginn des Grabenkrieges in engen Gängen verschwanden, verringerte sich die Bedeutung des Schrapnells: Da die Bleikugeln trichterförmig in Flugrichtung herausgeschleudert werden, ähnlich wie bei einer Schrotflinte, waren sie im Stellungskrieg nur bedingt nützlich. Statt dem Schrapnell wurden daher Splittergranaten verwendet, deren Geschosshüllen zersplitterten und so ihre Teile in alle Richtungen und damit in alle Bereiche des Schützengrabens schleuderten. Trotzdem wurden Schrapnelle weiterhin eingesetzt, besonders an den Fronten die weiterhin den klassischen Bewegungskrieg kannten wie die Ostfront – aber auch über den Gräben der Westfront.
Dieses französische Modell wurde von 1906 bis 1929 in einigen Varianten für Flak-, Turm- und Feldkanonen gebaut. Besonders markant sticht der Doppelzünder 24/31 A M 18 hervor, welcher aufgrund seines Aussehens auch „Bienenkorbzünder“ genannt wird. Dieser ist sowohl ein Aufschlagzünder als auch ein Zeitzünder. Zur Einstellung des Zeitzünders wird mit einer Lochzange eines der Löcher angestochen, je nachdem, wie lang die Detonation verzögert werden soll. Die maximale Brenndauer des Zünders beträgt 31 Sekunden. Durch die Auslösung des Zünders wird eine im Boden befindliche Schwarzpulverladung entzündet, welche hierdurch einen Druckteller nach vorne schiebt. Dieser schleudert die im Inneren befindlichen Bleikugeln nach vorn aus dem Geschoss heraus. Sollte die Granate vor Ablauf der eingestellten Zeit am Ziel eintreffen, entzündet sie beim Aufschlag. So wird der Schrapnell-Effekt zwar nicht wirklich erreicht, aber die Explosion im Ziel löst zumindest einigen Schaden aus.
Um die Flugbahn besser kontrollieren zu können, besitzt das Geschoss ein Führungsband aus Kupfer, welches die Granate im Rohr abdichtet und die Kraftübertragung verbessert. Mit den im Inneren des Rohres eingebrachten Züge und Feldern wird ein Geschoss in Rotation gebracht, was eine geradere Flugbahn bewirkt. Im Band der verschossenen Granate sind gut die Einschnitte und Quetschungen zu sehen, welche das weiche Kupferband beim Durchlaufen des gezogenen Rohres erhalten hat.
Allein in der Schlacht von Verdun 1916 verschoss die französische Armee schätzungsweise 23 Millionen Granaten unterschiedlicher Art. Noch heute werden täglich Geschosse aller Kriegsparteien im Boden gefunden. Bei einem Fund oder der Vermutung eines Fundes muss unverzüglich die Polizei bzw. der Kampfmittelräumdienst benachrichtigt werden. Die Fundmunition darf auf keinen Fall bewegt oder berührt werden. Der Besitz von Munition oder Munitionsteilen die dem Waffengesetz, dem Kriegswaffenkontrollgesetz und dem Sprengstoffgesetz unterliegen ist strafbar. Bei unserem Objekt des Monats handelt es sich um einen leeren verschossenen Bodenfund, der durch fachkundiges Personal begutachtet und freigegeben wurde.
Die oben erwähnte Kartätschtechnik ist übrigens bis heute für Panzer relevant geblieben: Für viele moderne Panzerkanonen gibt es auch auch heute noch Kartätschmunition, die gegen „weiche Ziele“ eingesetzt werden kann. Sie läuft heute auch unter dem Begriff „Canister“-Munition und war beispielsweise im Korea- und im Vietnam-Krieg häufig im Einsatz. Sie wurde dort unter anderem zum „sweepen“ (leerfegen) eigener Panzer verwendet: Wenn feindliche Infanterie eigene Panzer erkletterte, schoss man mit Kartätschmunition auf diese: Sie „fegte“ die feindlichen Soldaten von den Panzern, ohne deren Panzerung beschädigen zu können.