
MÜSSEN DIE JUDEN JETZT WIRKLICH AUCH NOCH IM PANZERMUSEUM VORKOMMEN? BERGEN-BELSEN IST DOCH GAR NICHT WEIT, DAS REICHT DOCH.
Das ist (paraphrasiert) der Kernsatz eines Briefes, den wir Mitte der 2010er erhalten haben. Der Besucher beschwerte sich wortreich darüber, dass in einer anderthalbstündigen Führung durch hundert Jahre Panzerei auch bei einem von ca. 25 Stopps durch die Führung die Zusammenhänge zwischen Panzerwaffe, Vernichtungskrieg, Shoa und Vernichtung durch Arbeit thematisiert wurden. Er wolle doch nur einfach die Panzertechnik sehen und hören und diesen Schuldunsinn brauche man doch wirklich nicht im Panzermuseum; das verdürbe doch nur den Spaß – und schließlich habe man „das Thema Juden ja überall zur Genüge“.
Ich möchte den heutigen 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz dazu nutzen, im Namen des Panzermuseums einmal mehr zu betonen, dass die Themen Vernichtungskrieg, Shoa und Vernichtung durch Arbeit unzweifelhaft in das Deutsche Panzermuseum gehören und fester Bestandteil unserer Vermittlung sind und bleiben werden. Diese Überzeugung werden wir mit Selbstbewusstsein und Rückgrat auch gegen (bereits angekündigte) politische Übergriffe in unsere Vermittlung verteidigen.
Diese Themen werden dabei nie einen quantitativen Schwerpunkt ausmachen; sie werden stets nur einen kleinen Teil einer Führung oder der Ausstellung ausmachen. Wir sind weder Gedenkstätte noch Mahnmal, sind kein historischer Ort und haben das Thema auch nicht als zentrales Thema. Wir bilden diese Themen nur insoweit ab, wie sie mit unserem Hausthema, der deutschen Panzerei, im Zusammenhang stehen.
Und das tun sie natürlich in mehrfacher Hinsicht: Das konkreteste Beispiel ist dabei das Lager Auschwitz III Monowitz, das vor 80 Jahren befreit wurde. Diese Lager war das einzige von einer Firma errichtete KZ und es diente einem wirtschaftlichen Zweck: Der künstlichen Herstellung knapper, aber wichtiger Ressourcen, unter anderem auch Buna. Dieser synthetische Kautschuk ist verwendet worden, um die Laufrollen deutscher Panzer zu ummanteln und hier haben wir die erste Verbindung zu den Panzern. Eine andere ist der Einsatz von Zwangs- und Sklavenarbeitern zur Gewinnung von Ressourcen zum Bau von Panzerteilen, zu deren Herstellung oder zu deren Montage. Der die industrie- und wirtschaftshistorische Seite der deutschen Panzerei ist also eng verknüpft mit dem zigtausendfachen Tod in der „Vernichtung durch Arbeit“.
Gleichzeitig sind die Panzer auch Werkzeuge des Vernichtungskrieges gewesen – wenn betont wird, dass die deutsche Panzerwaffe die Speerspitze der deutschen Feldzüge und Grundlage für deren Erfolge war, dann muss auch betrachtet werden, in welchen Zusammenhängen diese Erfolge errungen wurden. Die Panzerverbände haben in manchen Bereichen mehr, in manchen weniger mit Verbrechen der Wehrmacht zu tun gehabt: Bei den Massenerschießungen hinter der Front waren Soldaten und Gerät der Panzerdivisionen praktisch kaum im Einsatz, weil sie als operative Speerspitze am vordersten Rand voll ausgelastet waren. Der Kommissarbefehl hingegen wurde gerade in diesem Bereich allerdings besonders oft umgesetzt – hier wiederum sind die Panzerverbände überrepräsentiert. Paradoxerweise sind gerade alte Panzer, teils noch Modelle aus dem Ersten Weltkrieg, dann wieder überpräsent, wenn es um den Partisanenkrieg in den Räumen hinter der Ostfront geht, da hier zumeist ältere Soldaten mit nicht mehr fronttauglichen Panzern riesige Räume beherrschen sollten. In der blutigen Eskalationsspirale dieses Gewaltraumes waren die Panzer Werkzeuge in „schärfsten Strafaktionen“, die nicht selten zu unterschiedslosen Massenerschießungen von Zivilisten wurden.
Wir haben Dutzende „Geschichten um die Panzer“ parat, um unsere Führungen und unsere Ausstellung abwechslungsreich und interessant zu gestalten – manche leicht und manchmal sogar lustig, viele düster und schwer auszuhalten. Die Verbindung von deutscher Panzerei und Vernichtungskrieg, Shoa und Vernichtung durch Arbeit gehören dazu wie alle anderen – so simpel ist die Lage.
Aber während wir viele Geschichten auf Grund der Zeit einer Führung oder des Raumes in einer Ausstellung nur selten oder sogar manchmal nie erzählen können, so wird dieser Themenkomplex IMMER einen Platz in unseren Führungen und in unserer Dauerausstellung haben.
Denn auch wenn er aus genannten Gründen QUANTITATIV nie ein Schwerpunkt sein wird, so ist QUALITATIV doch etwas Besonderes. Die deutsche Erinnerungskultur macht die Verantwortung für das Erinnern und Gedenken an diesen Zivilisationsbruch völlig zurecht zu einem ihrer Grundpfeiler. Ob andere Nationen die Genozide und Massenmorde ihrer Geschichte dabei ebenso zentral erinnern, aufarbeiten oder auch nur benennen, ist dabei übrigens völlig irrelevant. Die deutsche Entscheidung, den deutschen Zivilisationsbruch zentral zu erinnern, ist für sich richtig.
Und es geht bei dieser Erinnerungskultur nicht darum, den heute Lebenden die „Schuld am Holocaust“ zuzuweisen. Es geht um das Erinnern, also um die gemeinsame Verantwortung der heute Lebenden, dass das Geschehene nicht vergessen wird und wir und künftige Generationen aus diesem Wissen lernen können.
Dazu können und müssen die verschiedenen Institutionen und Vermittler ihre Teile beitragen – und das DPM trägt eben seinen kleinen Teil bei, indem es den Konnex zwischen Panzerei und Vernichtung wenn auch nur kurz, so doch ständig anspricht.
Für das Deutsche Panzermuseum
Ralf Raths
Wissenschaftlicher Direktor