Objekt des Monats 11/2023
Beim Objekt des Monats erzählen wir die (Kurz-) Geschichte eines besonderen Objekts aus dem Panzermuseum. Da wir uns bemühen auch besonders Stücke aus dem Depot vorzustellen, finden sich hier auch ungewöhnliche Objekte und spannende Geschichten.
Schutztruppenhut aus Deutsch-Südwestafrika, 1896-1913
Inv. Nr.: DPM 1.976
Im Januar 1904 begannen die OvaHerero einen Befreiungskrieg gegen die deutschen Kolonisten in Deutsch-Südwestafrika. Die deutsche Kolonisierung zerstörte seit Jahren nachhaltig die Lebensgrundlage der Herero, die Viehzucht; 1904 kam erschwerend noch eine Rinderpest hinzu.
Die deutschen Kolonien waren unprofitabel und hatten hauptsächlich symbolischen Charakter. Das Kaiserreich unterhielt auch keine Kolonialarmee wie andere Staaten; die sogenannte Schutztruppe rekrutierte sich lediglich aus Freiwilligen der vier deutschen Armeen im Kaiserreich.
Die zahlenmäßig schwachen und schlecht ausgerüsteten Kolonialsoldaten der Schutztruppe konnten den Kämpfern der OvaHerero kaum etwas entgegensetzen. Sie forderten deshalb Verstärkung aus Deutschland an.
In zwei bis drei Wochen erhielten die zur Verstärkung angeforderten Soldaten auf dem Truppenübungsplatz Munster ihre militärische Ausbildung für die Kolonie; unter anderem Reiten, Schießen und Taktik.
Zur Einkleidung erhielten sie den „Südwester“: einen Schlapphut, dessen Krempe auf einer Seite mit einer Kokarde in den Reichsfarben nach oben gehalten wird. Diese besitzt für Offiziere eine silberne Umrandung und ist abnehmbar. In der Schlacht um Ovikokorero im März 1904 hatte sich gezeigt, dass diese Rangabzeichen ein einfaches Ziel für die Schützen der OvaHerero waren und die deutsche Truppe schnell ihre ohnehin wenigen Offiziere verlor. Anhand der Farbe des Bandes kann die Zugehörigkeit des Trägers zu einer der deutschen Kolonien erkannt werden. Bei diesem Hut eines Mannschafters ist das kornblumenblaue Ripsband für Deutsch-Südwestafrika verblichen, die originale Farbe kann hinter dem Krempenaufschlag erahnt werden. Die Kokarde ist die Offizierversion, die sich unabhängig vom Dienstgrad häufig auf den noch erhaltenen Schutztruppenhüten findet.
Die Soldaten wurden zusammen mit ihren Pferden aus Munster am 20. Mai 1904 über Hamburg zum Hafen von Swakopmund verschifft. Als diese etwa drei Wochen später eintrafen, zogen sich die OvaHerero bereits zusammen mit ihren Familien und dem verbliebenen Vieh zum Waterberg zurück. Aufgrund der erfolgreichen Schlachten erwarteten sie ein Verhandlungsangebot der Deutschen. Diese griffen jedoch erneut an und begannen nach der Kesselschlacht am Waterberg im August 1904 einen Vernichtungskrieg gegen die OvaHerero. Die deutschen Truppen hinderten die in die Wüste Omaheke geflohenen Kämpfer und ihre Familien daran, Wasserstellen zu erreichen und vergifteten diese. Im Oktober 1904 proklamierte der Kommandeur der Schutztruppe, Lothar von Trotha, dass „jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen [wird]. Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen.“ Für die deutschen Soldaten ergänzt er, dass diese über die Köpfe der Frauen und Kinder hinwegschießen sollen. Doch allein dieses Zurücktreiben in die Wüste sicherte ihren qualvollen Tod durch Verdursten. Daraufhin erhoben sich nun auch die zuvor mit den Deutschen verbündeten Nama gegen die Kolonialmacht.
Die Überlebenden OvaHerero und Nama wurden in bereits zu dieser Zeit so genannte Konzentrationslager gesperrt. Diese sind nur in Teilen mit den nationalsozialistischen Lagern vergleichbar. So waren die Lager in Deutsch-Südwestafrika beispielsweise nicht dafür errichtet worden, ihre Insass:innen systematisch zu töten, sondern waren als Umerziehungs- und Zwangsarbeitslager gedacht. Doch von den etwa 15.000 internierten OvaHerero und 2.000 Nama starben etwa die Hälfte. Der Krieg endete im Jahr 1908. Die genaue Zahl der Toten insgesamt ist aufgrund fehlender Bevölkerungsstatistiken unbekannt. Schätzungen gehen von einer Bevölkerungsgröße von etwa 60-80.000 OvaHerero aus, von denen etwa Zweidrittel bis Dreiviertel im Krieg starben. Etwa die Hälfte der 20.000 Nama starb durch den Krieg. Auf der anderen Seite starben etwa 2.000 der 14.000 entsendeten deutschen Soldaten infolge von Kampfhandlungen oder an Krankheiten.
Die Vereinten Nationen erkannten den Vernichtungskrieg in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, im Jahr 1948 als Kriegsverbrechen und Völkermord an – Deutschland tat dies erst im Jahr 2021.