„WER ABER DEN FRIEDEN WILL, DER REDE VOM KRIEG.“
Seit Mai 2016 prangt dieses Zitat des Philosophen Walter Benjamin (1892-1940) am Deutschen Panzermuseum Munster.
Wer war der Mann?
Walter Benjamin wirkte als Übersetzer (unter anderem von Proust, Balzac und Baudelaire) und als Philosoph. Sein Denken umkreiste die Schnittstellen von Sprache und Erkenntnis, von Literatur und Philosophie. Er war mit Brecht und Adorno befreundet, beschäftigte sich mit dem dialektischen Materialismus und wird dem erweiterten Kreis der Frankfurter Schule zugerechnet. Vor allem jedoch war er ein Freigeist, undogmatisch und ungebunden. Seine Werke sind zu seinen Lebzeiten nur wenig rezipiert worden; seit den 1960er Jahren jedoch gilt Benjamin als einer der großen Denker des 20. Jahrhunderts. Der Deutschlandfunk nannte ihn 2014 „eine der Lichtgestalten der deutschen Philosophie.“
Ein Berührungspunkt zwischen seiner Arbeit und der Museumswelt ist vor allem der Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ von 1935, in dem er den Begriff der „Aura“ herausarbeitete. Dieser Begriff ist bis heute ein zentraler Begriff der Museumsarbeit.
Als (assimilierter) Jude und (unorthodoxer) Kommunist in Deutschland wählte Benjamin 1933 das Exil, in dem er 1940 aus Angst vor einer Auslieferung an die Nationalsozialisten mit nur 48 Jahren Suizid beging.
Woher stammt dieses Zitat?
Das gewählte Zitat stammt aus dem Aufsatz „Friedensware“, einer Rezension des Buches „Flügel der Nike – Buch einer Reise“ (von Unruh) aus dem Jahre 1926. In diesem Buch geht Benjamin hart mit einem Pazifismus ins Gericht, der sich in Anschein und Habitus erschöpft. Er kritisiert, dass ein Pazifismus nichts nutze, der nicht die Kraft habe, sich offen und kritisch mit eben dem Krieg zu befassen, den er ablehnt. So ein unkritischer Pazifismus sei strukturell kaum mehr als ein moralisches Feigenblatt und oft ein nützliches Lippenbekenntnis für diejenigen, die in ihrem Innersten den Krieg doch für ein probates Mittel halten.
„Si vis pacem para bellum“ Wenn du Frieden willst, rüste zum Krieg. Marcus Tullius Cicero. Benjamin kannte diese antike Vorlage mit ziemlicher Sicherheit und kopierte sie hier keineswegs einfach. Die römische Redewendung zielt darauf ab, Frieden mit der Androhung und, wenn nötig, mit der Ausübung kriegerischer Gewalt zu erzwingen. Dies passt in eine Kultur, in der Krieg ein normales, handhabbares Mittel der politischen Auseinandersetzung war.
Benjamins Zitat will diesen Ansatz nach der Erfahrung des unkontrollierten, industriellen Massenschlachtens des Ersten Weltkrieges weiterentwickeln. „para bellum“ würde unter den Vorzeichen des Totalen Krieges keinen „pacem“, sondern nur endloses Leid und totale Vernichtung bringen. Wenn er aber unführbar geworden ist, muss die Menschheit Krieg künftig komplett vermeiden. Und um dies zu erreichen, müssen die unfassbaren Schrecken des im Jahre 1928 modernen Krieges ungeschönt und krass gezeigt, besprochen, erinnert werden – um jeder Versuchung zur Kriegführung den Boden zu entziehen. Eine kleine Änderung in der Wortwahl, eine große Änderung in der Aussage.
Und warum dieses Zitat am Panzermuseum?
Das Deutsche Panzermuseum Munster ist durch seine kommunalen und militärischen Träger eine Institution der Bundesrepublik Deutschland. Das Museum vertritt aktiv die Werte dieses Staates, zu denen auch die Ablehnung von Krieg als Instrument zählt, soweit dies irgend möglich ist. Sein Werkzeug dazu ist, die Besucherinnen und Besucher zur fundierten, kritischen und selbstständigen Auseinandersetzung mit dem Krieg anzuregen.
Der Satz ist eine wunderbar kondensierte Antwort auf die beiden häufigsten Kritiken am Museum: „Ein Panzermuseum braucht niemand.“ und „Sowas verherrlicht doch nur den Krieg.“ Das Zitat des Philosophen packt beide Einwände an der Wurzel: Wir reden vom Krieg, weil wir den Frieden wollen.
Ist dieser Satz in Munster nun nur ein nützliches Lippenbekenntnis oder eben doch echte Überzeugung? Kann die Logik überhaupt funktionieren oder sind es nur schöne Worte? Und wenn man von Krieg redet – wohin führen einen die Gedanken? Das sollen die Besucherinnen und Besucher des Panzermuseums selbst herausfinden. So lässt Benjamins Satz sie hoffentlich angeregt und kritisch das Museum betreten.