Objekt des Monats 07/2024

Objekt des Monats 07/2024

Beim Objekt des Monats erzählen wir die (Kurz-) Geschichte eines besonderen Objekts aus dem Panzermuseum. Da wir uns bemühen auch besonders Stücke aus dem Depot vorzustellen, finden sich hier auch ungewöhnliche Objekte und spannende Geschichten.

Zeitschrift „Der Freiwillige“, 1992

Inv. Nr.: Ü 588

„Der Freiwillige“ war eine monatlich erscheinende Veteranenzeitschrift der ehemaligen Waffen-SS, die von 1955 bis 1992 vom Bundesverband der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit“ (HIAG) herausgegeben wurde. In der jungen Bundesrepublik existierten zahlreiche Veteranenvereinigungen, neben Verbänden ehemaliger Wehrmachtsoldaten auch von Veteranen der Waffen-SS, die zum Teil kooperierten und konkurrierten. Insbesondere für die etwa 250.000 ehemaligen Mitglieder der Waffen-SS in der Bundesrepublik waren die Organisationen Anlaufpunkt für soziale und juristische Unterstützung. Der Bundesverband der HIAG war der Versuch, letztere zu vereinigen und damit ihr politisches Gewicht weiter zu stärken. Kernziel der Lobbyarbeit der HIAG war trotz der Einstufung der Waffen-SS als „verbrecherische Organisation“ die Angleichung der Rentenansprüche an die der Wehrmachtsoldaten, weshalb sie den Anschein der Waffen-SS als „ganz normale Soldaten“ forcierte.

Die Verbandszeitschrift „Der Freiwillige“ fungierte als Mitteilungsblatt, aber auch zur Fortführung der gemeinsamen Ideologie sowie ihrer Neuverortung in der Bundesrepublik. So verweist schon der Untertitel des Heftes mit „Für Einigkeit und Recht und Freiheit“ auf eine der Kernstrategien des Verbandes zu ihrer politischen Legitimation: Skandalen trat die HIAG stets mit demokratischen Bekenntnissen entgegen, um einem möglichen Verbot der Organisation zu entgehen. Im Laufe der 1980er Jahre vertiefte sich jedoch die Diskrepanz zwischen diesen Aussagen und dem Verhalten der Mitglieder der Organisationsbasis, die sich zunehmend offen rechtsradikal äußerten. 1991 wurde die Auflösung des Bundesverbandes beschlossen und Ende 1992 durchgeführt. Dies war auch darin begründet, dass die Führungsebene die HIAG als „zeitgebundene Vereinigung“ verstand, die auf die Lebenszeit der Veteranen begrenzt war. Andere Vereinigungen wie Landesverbände und Truppenkameradschaften bestanden weiter, zum Teil durch die Kinder und Enkel der Veteranen.

In einem der letzten Hefte des Bundesverbandes* ist die ideologische Leitlinie der HIAG noch immer ablesbar. Die Abhandlungen zu historischen Themen beruhten häufig auf persönlichen Erfahrungen und führten den Mythos der Waffen-SS als Elite-Truppe sowie einer „Europäischer Armee“ weiter. Dabei bewegten sich die Inhalte zumeist nur knapp innerhalb des strafrechtlich erlaubten: So wurden der Holocaust oder Verbrechen nicht aktiv geleugnet, sondern beispielsweise mit der Zitation von ausländischen vermeintlichen Zeitzeug:innen oder Autoren infrage gestellt. In Artikeln zu Ritterkreuzträgern wie Michael Wittmann, zum Teil mit persönlichen Erinnerungen der Autoren an die Personen, wurde die Heroisierung der Ritterkreuzträger der Waffen-SS weiter tradiert. „Der Freiwillige“ drehte sich jedoch nicht nur um die Vergangenheit – auch aktuelle politische Ereignisse und Debatten wurden verfolgt und kommentiert, häufig mit Referenz auf den Zweiten Weltkrieg. Das Vorwort dieses Heftes mit dem Titel „Was ist bloß mit Deutschland los“ schrieb beispielsweise Hubert Meyer, ehemaliger SS-Regimentskommandeur und von 1969 bis Auflösung des Bundesverbandes Sprecher der HIAG.  Darin bezeichnete er Geflüchtete als „Scheinasylanten und Wohlstandsflüchtlinge“ die „unser Land überschwemmen“ und „Fremde, die in Jahrhunderten nicht ein Mosaiksteinchen zur deutschen Kultur, zu deutschem Werden und Bestand beigetragen haben“ und setzt dies in Verbindung mit der deutschen Geschichte: „In dieser Lage wollen verantwortliche Politiker das um ein Viertel seines Landes beraubte Deutschland, das nach Kriegsende schon 12 Millionen deutsche Flüchtlinge aufnahm, zu einem Einwanderungsland machen.“ Meyer bediente sich somit rechtsradikalen Narrativen und Chiffren, die sich auch fast 50 Jahre nach Kriegsende nicht verändert hatten. „Der Freiwillige“ wurde bis 2014 herausgegeben und ging dann in DMZ Geschichte auf, die dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen ist.*

*Ergänzung: Mit der Auflösung des Bundesverbandes 1992 wurde die Zeitschrift nicht mehr von diesem herausgegeben, lief jedoch bis 2014 weiter.

Literatur:

Wilke, Karsten: Die „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit“ (HIAG) 1950-1990, Veteranen der Waffen-SS in der Bundesrepublik, Paderborn u.a. 2011.

Schulte, Jan Erik / Lieb, Peter / Wegner, Bernd: Die Waffen-SS – Neue Forschungen, Paderborn u.a. 2014.

Lehnhardt, Jochen: Die Waffen-SS: Geburt einer Legende – Himmlers Krieger in der NS-Propaganda, Paderborn u.a. 2017.

Weitere Objekte des Monats …

Objekt des Monats 06/2024

Objekt des Monats 06/2024

Beim Objekt des Monats erzählen wir die (Kurz-) Geschichte eines besonderen Objekts aus dem Panzermuseum. Da wir uns bemühen auch besonders Stücke aus dem Depot vorzustellen, finden sich hier auch ungewöhnliche Objekte und spannende Geschichten.

Flugblatt vom „Bund Deutscher Offiziere“, 1944

Inv. Nr.: DPM 6.2622

 „Hitler, der euch schon seit Jahr und Tag von Niederlage zu Niederlage führt, er allein verschuldete unseren Kessel von Stalingrad und Euren gegenwärtigen Kessel. Er trägt die Schuld des ganzen Unglücks unseres Volkes! […]Der einzige Weg ist die Einstellung der Kampfhandlungen und der Übertritt auf die Seite des Nationalkomitees „Freies Deutschland“!“

Dieses Flugblatt richtete sich an Wehrmachtsoldaten, die Ende Januar 1944 von der 1. und 2. Ukrainischen Front im Kessel von Tscherkassy eingeschlossen waren. Unterschrieben wurde es von General Walther von Seydlitz, der der Kommandierende General des 41. Armeekorps war, mit dem er 1943 bei der Schlacht von Stalingrad in sowjetische Gefangenschaft geriet. Er war Gründungsmitglied des „Bund Deutscher Offiziere“ (BDO) von Offizieren in sowjetischer Gefangenschaft, die sich von Hitler abgewandt hatten, sowie Vizepräsident im Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD), das zusammen mit deutschen Kommunisten im Exil gegründet wurde. Die Gründung des NKFD ging von Stalin aus; dessen Mitglieder und die des BDO verfolgten jedoch unterschiedliche politische Ziele. Dem BDO wurde beispielsweise versprochen, dass Deutschland in den Grenzen von 1937 erhalten bleibe und Seydlitz wollte eine Armee aus Kriegsgefangenen aufstellen, die den Grundstein für eine neue Armee in Nachkriegsdeutschland stellen sollte. Insgesamt brachte das NKFD über 100 Millionen Flugblätter heraus, viele Hunderte wurden direkt an Truppenteile adressiert, die sich in problematischen taktischen Situationen befanden.

Dieses Flugblatt war Teil einer größer angelegten Frontaktion: Seydlitz verfasste mit anderen Offizieren des BDO außerdem persönliche Briefe an die Kommandeure der eingeschlossenen Verbände und organisierte Lautsprecherdurchsagen an der Front, in denen sie zur Aufgabe der Kampfhandlungen und dem Widerstand gegen Hitler aufriefen. Dieser war beunruhigt über die mögliche Wirkung von Seydlitz‘ Aufrufen, weshalb die mit Frontkommandos betrauten Generalfeldmarschälle eine Ergebenheitserklärung gegenüber Hitler abliefern sollten. Das Reichskriegsgericht verurteilte Seydlitz zudem in Abwesenheit zum Tode und seine Familie wurde in „Sippenhaft“ genommen – seine Frau wurde sogar dazu gezwungen, sich von ihm scheiden zu lassen.

Die Bemühungen des NKFD und BDO blieben jedoch vergebens; die bei Tscherkassy eingeschlossenen Verbände versuchten weiterhin auszubrechen, was ihnen teils nur unter hohen Verlusten gelang. Der Panzersoldat, der dieses Flugblatt aufsammelte, war Teil des 23. Panzerregiments. Er war nicht im Kessel eingeschlossen, sondern zwischen Uman und Winnyzja an Kämpfen beteiligt. Sowohl die Wehrmacht als auch die Rote Armee werteten die Schlacht als Erfolg.

Literatur:

Ueberschär, Gerd R. (Hg.): Das Nationalkomitee „Freies Deutschland“ und der Bund Deutscher Offiziere, Frankfurt a. M. 1996.

Frieser, Karl-Heinz: „Tscherkassy 1944 – ein zweites Stalingrad?“, Zusammenfassung des Vortrags: https://www.gsp-sipo.de/organisation/landesbereich-iv/fulda?tx_sfeventmgt_pievent%5Baction%5D=detail&tx_sfeventmgt_pievent%5Bcontroller%5D=Event&tx_sfeventmgt_pievent%5Bevent%5D=3649&cHash=f7591d3d1c3c1ef0610b2a9db89cea10

Weitere Objekte des Monats …

Objekt des Monats 05/2024

Objekt des Monats 05/2024

Beim Objekt des Monats erzählen wir die (Kurz-) Geschichte eines besonderen Objekts aus dem Panzermuseum. Da wir uns bemühen auch besonders Stücke aus dem Depot vorzustellen, finden sich hier auch ungewöhnliche Objekte und spannende Geschichten.

Panzerschutzhelm im US-Design für Bundeswehr-Truppenversuch, 1950er-1960er

Inv. Nr.: DPM 1.1060

Bereits wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wurde über eine Wiederbewaffnung Deutschlands gesprochen. Bundeskanzler Adenauer erhoffte sich hiervon auch die Wiedererlangung der staatlichen Souveränität; die USA und westeuropäische Staaten wollten ein militärisches Bündnis mit deutscher Beteiligung gegen die Sowjetunion. Die Idee einer „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft“ (EVG), in der einige westeuropäische Länder Kontingente für eine gemeinsame Armee aufstellen sollten, scheiterte letztlich. Die Planungen waren jedoch schon so konkret gewesen, dass bereits über die EVG-Uniformen nachgedacht und bestehende Uniformen verschiedener Armeen getestet worden waren.

Bei der Aufstellung der Bundeswehr im Jahr 1955 gab es also bereits Überlegungen für eine neue Uniform, die sich vom Wehrmachtsdesign abgrenzen sollte. Bei der Einführung eines neuen Stahlhelmes für die Bundeswehr wurde auf US-amerikanisches Design zurückgegriffen: Die Soldaten erhielten einen lokal produzierten M1. Auch die Panzerbesatzungen sollten einen neuen Schutzhelm erhalten, weshalb der US-amerikanische M6 in der Truppe getestet wurde. Das im Jahr 1938 eingeführte US-amerikanische Modell war an Football-Helme angelehnt, besaß große Luftlöcher, Ohrlaschen für die Aufnahme von Kopfhörern und Lederriemen für die Befestigung einer Staubbrille. Er bestand aus einem Fasermaterial, um Stöße gegen die Innenseiten des Panzers abzudämpfen.

Die Firma Maury & Co aus Offenbach stellte diesen Helm nach US-amerikanischen Muster für die Truppenversuche in der Bundeswehr her. Der Helm weicht hinsichtlich einiger Merkmale von der US-Version ab: So sind die Laschen an den Ohrmuscheln überkreuzt, die Helmglocke besteht aus Aluminium statt aus Fasermaterial und der Größenstempel auf der Innenseite ist in Zentimetern angegeben. Zudem hat die Firma Maury & Co, die seit 1820 Militär- und Feuerwehrausrüstungen produzierte, die großen Luftlöcher des US-Modells durch sechs kleine ersetzt, die denen der deutschen Feuerwehrhelme aus den 1930ern entsprachen. Auch in Italien, Niederlande und Schweden und sogar Israel und Thailand wurde das Helmmodell getestet. Die Bundeswehr führte den Schutzhelm jedoch nicht für ihre Panzerbesatzungen ein und kehrte schließlich zu einem Barett zurück.

Literatur:

Schuster, Lothar: Das Ausstattungssoll der Heeresangehörigen der Bundeswehr von 1955 bis 2010, Berlin 2010.

Zentner, Rolf-Leonhard: Deutsche Militärhelme 1895-1975, Koblenz/Bonn 1980.

Weitere Objekte des Monats …

Objekt des Monats 04/2024

Objekt des Monats 04/2024

Beim Objekt des Monats erzählen wir die (Kurz-) Geschichte eines besonderen Objekts aus dem Panzermuseum. Da wir uns bemühen auch besonders Stücke aus dem Depot vorzustellen, finden sich hier auch ungewöhnliche Objekte und spannende Geschichten.

Brettspiel „Fulda Gap“, 1977

Inv. Nr.: DPM 7.450

Der US-amerikanische Spielehersteller „Simulations Publications Inc.“ (SPI) brachte im Jahr 1977 mit dem Brettspiel „Fulda Gap – The First Battle of the Next War“ ein Kriegsspiel heraus, welches in der Gegenwart angesiedelt war. „Fulda Gap“ bezeichnet die relativ flache Landschaft um die Stadt Fulda in Hessen, die einen Korridor durch die umgebenden Mittelgebirge bildet. In den damaligen Verteidigungsplanungen der NATO wurde ein Schwerpunkt eines etwaigen Angriffes des Warschauer Paktes über diesen Korridor erwartet. Konventionelle Kräfte hätten dort schnell in das Gebiet der BRD vordringen, Westdeutschland in der Mitte teilen und die NATO-Basen vor allem im Süden des Bundesgebietes erreichen können. Im „Fulda Gap“ hätte im Falle einer Eskalation des Ost-West-Konfliktes somit, wie im Titel des Spiels, „die erste Schlacht des nächsten Krieges“ stattfinden können.

Dieses Szenario können zwei Spieler:innen auf einem in Hexagonen eingeteilten Spielbrett mit zwei Würfeln und  Papp-Plättchen (sogenannten Countern), die militärische Einheiten darstellen, durchspielen. Das Spiel gehört damit in das Genre der Konfliktsimulationen. Das Brett unterteilt sich grob in Wälder und Ebenen, die mit Flussarmen durchzogen sind, zudem befinden sich zivile Ballungszentren wie Frankfurt am Main, Mainz und Worms auf der Karte. SPI wollte das gesamte Spektrum des Waffenarsenals der NATO- und Warschauer-Pakt-Staaten spielbar machen und basierte seine Daten auf Handbüchern wie dem „Taschenbuch der Landstreitkräfte“, die aufgrund der damaligen begrenzten Quellenlage zu den Armeen des Warschauer Paktes nur Annäherungen waren.

Neben konventionellen Kräften wie Panzern und Artillerie empfiehlt das Regelwerk den Spieler:innen, auch atomare, biologische und chemische Waffen einzusetzen. Um die Regeln für den Nuklearkrieg zu entwerfen, arbeitete SPI mit öffentlich zugänglichen Analysen zu den Effekten von Nuklearwaffen und befragte einen Experten zu den Auswirkungen radioaktiver Strahlung. Die langfristige Kontamination durch nukleare Sprengkörper und die Eskalationsgefahr ihres Einsatzes zu einem globalen Nuklearkrieg wurden im Spiel jedoch nicht thematisiert. Im Spiel bewirkt die Höhe der Kontamination einer Landschaft durch eine ABC-Waffe lediglich, dass die dort eingesetzten Truppen mehr „Bewegungspunkte“ verbrauchen müssen, um dieses Gebiet zu verlassen und bei jeder Runde neu „angegriffen“ werden, bis die Kontamination weggewürfelt wird. Der Einsatz von Atomwaffen wurde damit in ein beherrschbares Regelwerk eingebunden.

Auch außerhalb von US-amerikanischen Wohnzimmern fand das Spiel Beachtung: So soll es das US-Militär für Planspiele genutzt haben und auch die zu dieser Zeit aufstrebende deutsche Friedensbewegung wurde darauf aufmerksam. Als SPI „Fulda Gap“ bei der Spielwarenmesse in Nürnberg im Jahr 1982 vorstellte, gab es Proteste. Zuvor war das Spiel nur auf US-amerikanischen Stützpunkten erwerbbar gewesen. Kritiker:innen sahen in „Fulda Gap“ die Verharmlosung der damals drohenden Atomeskalation, die nicht wie ein Spiel „gewonnen“ werden könne, da das spielerische Ergebnis der „Verteidigung“ in der Realität eine völlige Zerstörung der Region bedeutet hätte. Das Spiel traf einen Nerv, da weder das Regelwerk des Spiels noch die tatsächlichen Verteidigungsplanungen der NATO nach Ansicht der Kritiker:innen die Auswirkungen der Kampfhandlungen auf die deutsche Bevölkerung berücksichtigten und in einem bizarren Gegensatz zu dem Anspruch des Spiels stand, eine „enjoyable experience“ („unterhaltsame Erfahrung“) zu sein.

Literatur:

Seipp, Adam R.: Fulda Gap: A board game, West German society, and a battle that never happened, 1975–85, in: War & Society, 2022.

Schregel, Susanne: Der Atomkrieg vor der Wohnungstür – Eine Politikgeschichte der neuen Friedensbewegung in der Bundesrepublik 1970-1985, Frankfurt a. M./New York 2010.

Krüger, Dieter / Hoffenaar, Jan: Blueprints for Battle – Planning for War in Central Europe, 1948-1968, Kentucky 2012.

Löffler, Niklas / Högg, Bastian: Fulda Gap – The First Battle of the Next War. Der atomare Vernichtungskrieg in den Händen der Friedensbewegung, veröffentlicht auf: zeitgeschichte / online, 20.12.2017, abrufbar: https://zeitgeschichte-online.de/themen/fulda-gap-first-battle-next-war (14.03.2024)

Weitere Objekte des Monats …

Objekt des Monats 03/2024

Objekt des Monats 03/2024

Beim Objekt des Monats erzählen wir die (Kurz-) Geschichte eines besonderen Objekts aus dem Panzermuseum. Da wir uns bemühen auch besonders Stücke aus dem Depot vorzustellen, finden sich hier auch ungewöhnliche Objekte und spannende Geschichten.

Diorama eines Hügelgrabes am Lehmberg, etwa 1965-1970

Inv. Nr.: DPM 7.441

Als die Wehrmacht im Jahr 1935 den Truppenübungsplatz Bergen gründete, schloss das Gelände auch zahlreiche vorgeschichtliche Denkmale ein. Sie beauftragte einen Archäologen, der zwischen 1935 und 1944 die Steingräbergruppe ‚Siebensteinhäuser‘, 277 Hügelgräber und mehrere Wallanlagen kartierte. Nach 1945 nutzten die Alliierten die norddeutsche Tiefebene für ihre Manöver – neben Truppenübungsplätzen auch Äcker und Naturschutzgebiete.

Panzerbesatzungen übten in Manövern, für ihr Fahrzeug eine „teilgedeckte Stellung“ – etwa bis zur Wanne – aufzusuchen und auch Infanteristen sollten sich „einschanzen“, also in der Erde eingraben. Die norddeutsche Tiefebene bietet jedoch nur wenig Deckung. Die erhöhten Grabhügel wurden daher häufig aus Unkenntnis oder Fahrlässigkeit mit Panzerketten zerfahren oder durch Schanzarbeiten beschädigt. Anfang der 1960er Jahre konnten die Manöver stärker reguliert werden und es wurde begonnen, die Kulturdenkmäler auf den Übungsplätzen besser zu schützen.

Die Bundeswehr unterstützte die Grabungen der zivilen Stellen der Bodendenkmalpflege durch die Bereitstellung von Zelten und Wasser, sowie mit schwerem Gerät, um beispielsweise Findlinge zu versetzen. Um eine weitere Zerstörung zu verhindern, wurden die Grabhügel mit Behelfspanzersperren und zum Teil zweisprachigen Warntafeln gekennzeichnet. So sollten sowohl übende Bundeswehrsoldaten als auch britische Soldaten die Kulturgüter erkennen.

Die Arbeit auf den Truppenübungsplätzen war jedoch gefährlicher als an anderen Grabungsorten. So übten die Soldaten in Bergen-Hohne nicht mit Übungsmunition, sondern konnten mit allen Waffensystemen des Heeres scharf schießen. Entsprechend hoch war die Gefahr durch Blindgänger. Auch durften sich Zivilist:innen aus Geheimhaltungsgründen im Kalten Krieg nur eingeschränkt auf militärischem Gelände aufhalten. Der Kompaniechef der Panzerjägerunteroffizierlehrkompanie der Kampftruppenschule III in Munster gründete daher eine Arbeitsgemeinschaft von archäologiebegeisterten Soldaten. Er führte in Absprache mit der niedersächsischen Bodendenkmalpflege seit 1961 regelmäßig Rettungsgrabungen auf Truppenübungsplätzen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie den „Roten Flächen“ in der Lüneburger Heide durch.

Im Jahr 1965 nahm die Arbeitsgemeinschaft mit drei bis acht Soldaten über etwa sechs Wochen eine Rettungsgrabung auf dem NATO-Schießplatz Bergen-Hohne vor. Diese wurden für die Zeit vom Dienst freigestellt oder durften gemäß „Erlass Erzieherische Maßnahmen“ als Belohnung für gute Leistungen an den Grabungen teilnehmen. Die Hügelgräbergruppe bei Lehmberg war bereits teilweise stark beschädigt. Das im Rahmen dieser Arbeit entstandene Diorama stellt einen der untersuchten Grabhügel im Maßstab 1:20 dar. Der Leiter der Arbeitsgemeinschaft Wilken Dürre stellte es sowohl zur Dokumentation, als auch als einen Interpretationsversuch der Funde her. Der Grabhügel Nr. 1 ist 19 Meter im Durchmesser, noch etwa 1,20 Meter hoch und von einer Randmauer begrenzt. Das vorgefundene Begräbnisritual schien sich jedoch stark von anderen, ähnlichen Anlagen der Region aus der älteren Lüneburgischen Bronzezeit zu unterscheiden: Die Leichname waren nicht verbrannt worden, es gab auch keine Spuren des typischen Baumsarges. Bei einem Leichnam, wahrscheinlich eine ältere Frau, fanden die Soldaten Grabbeigaben aus Bronze, wie eine Lüneburger Radnadel, Reste einer Bronzescheibe und eines Stollenarmbandes. Die Steinsetzungen um die Grabanlage sollten das Auseinanderfließen des aufgeschütteten, sandigen Heidebodens verhindern. Die Funde wurden vor Ort belassen und gesichert oder in Absprache mit der Bodendenkmalpflege Niedersachsen an Museen und Sammlungen abgegeben.

Neben der Dokumentation der Grabung in Karten und Publikationen organisierte die Arbeitsgemeinschaft auch Tagungen und Ausstellungen. Einer der Soldaten der Arbeitsgemeinschaft führte lange Zeit ein Privatmuseum zur Vor- und Frühgeschichte für den Heimat- und Kulturverein Bispingen mit Funden, Dioramen und Schaubildern der Arbeitsgemeinschaft. Trotz dieses Engagements entschied sich die Bundeswehr damals gegen die Einrichtung einer festen Stelle eines „Wehrarchäologen“.

Weitere Objekte des Monats …

Objekt des Monats 02/2024

Objekt des Monats 02/2024

Beim Objekt des Monats erzählen wir die (Kurz-) Geschichte eines besonderen Objekts aus dem Panzermuseum. Da wir uns bemühen auch besonders Stücke aus dem Depot vorzustellen, finden sich hier auch ungewöhnliche Objekte und spannende Geschichten.

CD „Die Ärzte – Friedenspanzer“, 1994

Inv. Nr.: DPM 7.479.1-2

„Friedenspanzer“ war die dritte Single-Auskopplung des Comeback-Albums „Die Bestie in Menschengestalt“ der Berliner Punkband Die Ärzte. Das Album gewann drei Goldene Schallplatten für über 750.000 Verkäufe. Die Ärzte hatten sich ursprünglich im Jahr 1982 als Gegenentwurf zu deutschen Punkbands gegründet, deren Texte ihnen zu ernst und politisch waren und die sich meist gegen den Staat und die Polizei richteten. Das Markenzeichen von Die Ärzte waren von Anfang an ihre humorvollen bis absurden Texte ohne offensichtliche politische Botschaft, von denen jedoch einige auf dem Index landeten. Trotz ihres kommerziellen Erfolges löste sich die Band im Jahr 1988 auf.

In den Jahren danach wurden die Musiker von den rassistisch motivierten Gewaltexzessen nach dem ersten Freudentaumel des Mauerfalles geprägt, in welchen Wohnheime für Vertragsarbeiter:innen und Geflüchtete angezündet und deren Bewohner:innen angegriffen und bedroht worden waren. Im Jahr 1993 ermordeten Rechtsradikale fünf Menschen durch einen Brandanschlag in Solingen. Der Sänger und Gitarrist Farin Urlaub wollte Die Ärzte neu gründen, doch ihm war klar, dass die alte Richtung nach 1993 nicht mehr funktionierte. Für die Neugründung konnte er Gründungsmitglied, Sänger und Schlagzeuger Bela B. zurückgewinnen. Als Bassist kam Rodrigo Gonzáles dazu, der bereits zuvor mit Bela B. in der Band „Depp Jones“ gespielt hatte. Das Comeback-Album „Die Bestie in Menschengestalt“ war die bis dahin politischste Platte der Band. Für die erste Singleauskopplung wählten sie den Song „Schrei nach Liebe“, in dem die Musiker deutlich Stellung zu den Neonazis bezogen, die der Band ihre neue Richtung gegeben hatten.

Die Musik zu „Friedenspanzer“ schrieb der neue Bassist Rodrigo Gonzáles bereits in den 1980er Jahren. Gonzáles war Anfang der 1970er Jahre mit seiner Familie aus Chile nach Hamburg geflüchtet und spielte seit seiner Jugend in verschiedenen Bands. Er überarbeitete den Song zusammen mit Bela B. für das Album „Die Bestie in Menschengestalt“; den Text dazu schrieben sie innerhalb eines Tages. Der Friedenspanzer schießt „zur Rettung dieser Welt“ mit „Blumen statt Granaten“ „Liebe in dein Herz“ und „bringt den Frieden ohne Schmerz.“ Er bringt nicht nur Frieden, sondern rettet auch die Umwelt und beendet Hungersnöte. Vor dem Hintergrund der Jugoslawienkriege war das Thema des Liedes aktuell und relevant – der Traum von einem Frieden in Europa nach Auflösung der Blockkonfrontation hatte sich nicht erfüllt.

Die Single „Friedenspanzer“ erschien mit weiteren Songs wie „Die Wiking Jugend hat mein Mädchen entführt“ im Jahr 1994 und erreichte Platz 32 der deutschen Single-Charts. Auf dem Cover ist ein US-amerikanischer M47 mit Tiger-Bemalung zu sehen. Diese Bemalung setzte die US-Army im Koreakrieg (1950-1953) ein, um die gegnerischen Kämpfer einzuschüchtern, jedoch eher auf Panzer des Typs M46 und Sherman. Die Produktion der M47 begann erst im Verlauf des Koreakrieges und sie waren nie für die US-Streitkräfte im Einsatz. Das für das Cover verwendete Bild eines bemalten M47 stammt von der Verpackung eines 1:32 Panzermodells der Firma Matchbox von etwa 1992. Das gezeichnete Fahrzeug dort hat eine Kanonenblende, die beim M47 nie verbaut wurde. Sie scheint von der Blende inspiriert zu sein, die die Bundeswehr beim M48 A2GA2 verbaut hat. Die Wahl des Panzers scheint keinen nachvollziehbaren Bezug zum Liedtext zu haben. Über dem Panzer sind Farin Urlaub und Rodrigo Gonzáles montiert und das Gesicht des Sängers Bela B. erscheint übergroß vor einem psychedelischen Hintergrund.

Während sich Die Ärzte zur Zeit ihrer Gründung noch von allzu ernsten politischen Inhalten fernhielten und die aus ihrer Sicht altklugen Texte einiger Deutschrocker belächelten, sind sie mittlerweile selbst zu einer politischen Band geworden. Sie kombinieren ernste Themen jedoch mit dem klassischen Humor von Die Ärzte. Bis heute besteht die Band in der damaligen Besetzung und positioniert sich auch privat politisch.

Weitere Objekte des Monats …

Adresse: Sie finden uns in der Hans-Krüger-Str. 33 in 29633 Munster / Niedersachsen. Nächste Bahnstation: Wenn Sie mit der Bahn anreisen möchten, nutzen Sie bitte die Haltestelle Munster/Ortze. Gastronomie und Unterkunft: Alle Fragen zu Unterkunft und Gastronomie beantwortet Ihnen gerne das Team der Munster Touristik.
Diese Hinweise und Regeln dienen dazu, Ihnen den Besuch im Museum so angenehm wie möglich zu gestalten und dabei die Sicherheit und Ordnung in unserem Haus zu gewährleisten. Mit dem Betreten des Museums erkennen Sie diese Regelungen an. Bitte beachten: Hunde und andere Tiere dürfen nicht mit in die Ausstellung genommen werden. Sie können aber auf dem Vorplatz warten. Behindertenbegleithunde sind hiervon ausgenommen. Bitte lassen Sie Ihre Hunde nicht bei extremen Temperaturen im Auto. ...
Führungen Haben Sie Interesse an einer Museumsführung? Alle Informationen zur Anmeldung, Zielgruppen, Kosten und Inhalten finden Sie hier: Anmeldung: Führungen durch das Museum können Sie während der Öffnungszeiten unter +49 (0) 51 92 / 25 52 oder jederzeit per E-Mail buchen. Bitte buchen Sie Führungen mindestens 14 Tage im Voraus. Zielgruppe: Führungen richten sich an Erwachsene und Kinder ab 12 Jahren. Kinder unter 12 Jahren können leider nicht an diesen Führungen teilnehmen. G...
Die Zahlung ist auch mit EC-Karte und Kreditkarte möglich. Sie können die Tickets auch im Vorfeld des Besuchs über unseren Online-Shop buchen. Dort können Sie auch Gutscheine für einen Museumsbesuch erwerben. Erwachsene10 € Kinder bis einschließlich 5 Jahrefrei Ermäßigter Eintritt (Kinder 6-13 Jahre, Schüler:innen, Auszubildende, Student:innen, Bundesfreiwilligendienst Leistende, Leistungsempfänger (SGB II, SGB XII, AsylbLG mit Nachweis), Schwerbehinderte mit Ausweis (mit Ausweis B...
Januar – Mai: Dienstag bis Sonntag, 10.00 Uhr – 18.00 Uhr, letzter Einlass 17.00 UhrMontags geschlossen. An Feiertagen auch montags geöffnet.Bitte beachten Sie, dass die Hallen ungeheizt sind, in den Wintermonaten kann es kalt sein. Juni – September: Täglich, 10.00 – 18.00 Uhr, letzter Einlass 17.00 Uhr Oktober – Dezember: Dienstag bis Sonntag, 10.00 Uhr – 18.00 Uhr, letzter Einlass 17.00 UhrMontags geschlossen. An Feiertagen auch montags geöffnet.Bitt...